Madagaskar, Biketour, Tag 6
|Ranomafana Naturpark
Das Wetter ist grauslig. Der Sprühregen ist so fein, dass ich ihn auf der Haut gar nicht spüre. Man sieht ihn, fühlt ihn aber erst, wenn man sich nach ein paar Minuten durch die nun nassen Haare fährt. Wir kaufen erst noch ein paar Lebensmittel ein und Chris einen kurios bunten Regenponcho, der bereits einen Riss und ein Loch unter den Achseln hat. Etwas anderes ist nicht zu bekommen. „Die anderen“, sagt sie, „haben noch schlimmer ausgesehen.“
Am Parkeingang schüttet es dann immer mehr. Gut, dass wir in den Wald gehen. Ärgerlich dagegen, dass das Fotografieren heute sicher eine Herausforderung wird. Nach einem kurzen Fußweg auf festen Pfaden und einer Brücke, stapfen wir auf einem Lehmpfad ein bisschen nach oben. Tatsächlich sind hier die ersten Lemuren auf den Bäumen zu sehen. Kuriose Tiere sind das, die uns mit ihren großen Kulleraugen und den bärenähnlichen Schnauzen ansehen. Nur allzu nahe kommen sie uns nicht. „Lemuren sind scheu“, erklärt unser Guide. Wenn sie uns, wie später ein kleineres Exemplar, etwas näherkommen, dann nur weil sie neugierig sind. Außerdem hat der kleinere Lemur eine frische Bambusstange entdeckt, und dieses weiße Fruchtfleisch will er sich nicht entgehen lassen. Ich stehe zufällig genau vor dem Bambus und kann ihn deshalb aus vielleicht 40 Zentimetern Nähe beobachten und filmen, wie er mit den Klauen und den Zähnen den Bambus aufreißt und sichtlich genussvoll frisst.
Immer wieder zeigen uns die Guides winzig kleine Chamäleons, Stabheuschrecken oder Früchte wie Guaven, die den Lemuren als Nahrung dienen. Doch davon ist nie genug da: Gut 30 Prozent des Nachwuchses sterben, vermutlich aus Hunger, da nicht immer genügend Früchte für alle Tiere reif werden.
Es gibt zwei Rundgänge. Einen, gut vierstündigen bis zu einer Aussichtsplattform, und einen weiteren, der noch zwei Stunden länger sein soll. Unsere amerikanischen Frauen wollen nur die kurze Variante, das war ihnen vorher schon klar. Urs und ich überlegen noch, da wir gerne auch noch in den primären Regenwald wollen und entscheiden uns dann für die größere Tour. Natürlich dauert alles viel länger als gedacht, gegen 15 Uhr, also eine gute Stunde später kommen wir wieder in dem Örtchen, in dem auch heiße Quellen sind, an. Gelohnt hat sich die Langvariante trotzdem, da es immer wärmer wurde, der Regen aufhörte und später sogar die Sonne herauskam.
Es ist immer wieder ein kleines Wunder, wie ein bisschen Sonne nicht nur die Stimmung, sondern auch die Landschaft verzaubern kann. Oder eben, wie in diesem Fall, einen Regenwald, in dem nun die Regentropfen auf den grünen Palmblättern oder Farnen glitzern.
Beeindruckend war auch der große Eukalyptus-Baum, der vor wohl 70 Jahren hier mitten im Regenwald gepflanzt wurde. Er war einst der Mittelpunkt eines Marktplatzes der Einheimischen. Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass hier, in diesem scheinbar undurchdringlichen Dschungel, einst ein dörfliches Markttreiben herrschte. Inzwischen wohnt niemand mehr im Regenwald, er ist längst eines der spektakulärsten Naturschutzgebiete der Erde.
Auch im primären Regenwald sehen wir immer wieder Makis, wie die Lemuren von den Bewohnern Madagaskars genannt wurden. Meist weit oben in den Bäumen und ob des Gegenlichtes nur sehr schwer zu fotografieren.
Ein spektakulärer Wasserfall, der sich donnernd über drei große Kaskaden in die Tiefe stürzt, ist schon fast das Ende dieser Wanderung. „Normalerweise, vor allem aber während der Regenzeit, ist hier von den Felsen nichts mehr zu sehen“, meint unser Guide weit weniger begeistert als wir.
Als wir an einer Hütte freundlich begrüßt werden, lasse ich unseren Guide fragen, ob wir nicht kurz sehen könnten, wie die Familie wohnt. Kein Problem, wir betreten das Haus durch einen niedrigen Eingang und werden dann gebeten, uns hinzusetzen.
Es ist schon ein bisschen erschütternd zu sehen, wie die Menschen hier leben. Ein Bett, der Herd, ein weiterer Schlafraum, und das war es. Noch viel weniger verstehe ich, wie man so wohnen will. Es ist eine gut zehnköpfige Familie, die in engsten Verhältnissen hier lebt. Die Räume sind ob der winzigen Fenster fast komplett dunkel, immerhin bedeckt ein PVC-Boden die Erde. Aber die ganze Familie scheint seit Wochen ungewaschen zu sein, die Kleider sind dreckig. Warum will man so leben, wenn Wasser so ziemlich das einzige ist, das im Überfluss da ist? Warum ist der ganze Vorplatz der Hütte ein roter Lehmboden, warum sammelt niemand Steine, um es ein wenig sauberer zu haben. Und warum verlängert niemand das Dach der Hütte, um auch bei schlechtem Wetter einen trockenen Vorraum im Freien zu haben? Seltsam, aber es ist eine andere Welt. Eine Welt, die für uns einfach zu akzeptieren ist – möglichst ohne zu werten. Gar nicht so einfach.
Mehr Bilder zu dieser Tour und über den Reisebuchautor und Journalisten Gerhard von Kapff erfahren Sie unter www.abenteuer-zum-nachmachen.com. Seine bekanntesten Bücher sind: „Mit zwei Elefanten über die Alpen. Eine Familie wandert von München nach Venedig.“ Und „Wüstenblues. Mit dem Mountainbike von den Victoria-Wasserfällen bis Kapstadt.“ Das zweite Buch basiert auf einer Tour von Hauser-Exkursionen. Die Bücher von Gerhard von Kapff sind handsigniert und versandkostenfrei im Shop auf dieser Seite, bei Amazon oder im Buchhandel erhältlich.
Alle Bücher:
„Mit zwei Elefanten über die Alpen. Eine Familie wandert von München nach Venedig.“
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„Abenteuer für Vater und Sohn. Unvergessliche Erlebnistouren.“
„111 Orte in Teneriffa, die man gesehen haben muss.“
„111 Orte im Altmühltal und in Ingolstadt, die man gesehen haben muss.“