Mountainbike Tour Madagaskar, Tag 13
|Ca. 50 Kilometer
Aufbruch ist wie immer um 8 Uhr – zumindest theoretisch. Nachdem Chris noch schnell ein T-Shirt kaufen will in einem Laden gegenüber, wittern die anderen Amerikanerinnen die Chance auf SHOPPING. Also prescht eine nach den anderen los – natürlich in einem gewissen zeitlichen Abstand, um nur ja nicht effektiv und schnell zu sein. Nach einer guten halbe Stunde sind alle freudestrahlend vom Einkaufen zurück und haben, naja, einigermaßen ganz nette T-Shirts erworben. Jedenfalls schönere als ich in dem Shop auf der anderen Straßenseite gestern gesehen hatte.
Dort war die Madagassische Lethargie wieder einmal schon fast verblüffend gewesen. Zunächst hatte mir die Ladenbesitzerin erst nach einem Klopfen an die Fensterscheiben überhaupt aufgesperrt. Danach hatte sie vergessen, das Licht anzuschalten, so dass ich die Shirts im Halbdunkel ansehen musste. Und in den zweiten Verkaufsraum hatte ich mich erst nach kurzer Überlegung gewagt: Die Regale waren halbleer, überall lag offensichtlich nicht zum Verkauf gedachter Krempel herum – und genauso wie der ganze Laden sahen auch die Shirts aus: Zum Vergessen.
Heute ist der letzte Radtag, eigentlich der letzte Tag der Tour. Wir werden ans Meer kommen und noch ein paar Tage ausspannen. Das ist jetzt auch nötig, denn die Eindrücke waren so zahlreich und überwältigend, dass es kaum möglich ist, sie auf die Schnelle zu verarbeiten.
Ein spannender Stopp ist noch der in einem Showroom der Stadt Toliara (?). Die Stadt wimmelt vor Halbkriminellen, die versuchen, sich mit Saphiren etwas zu verdienen. Die Gegend ist einer der größten Saphir-Fundorte der Erde. Schon vor dem tatsächlichen Ortseingang halten wir an einer Brücke kurz an. Bald 100 Menschen stehen im rotbraunen Wasser und waschen mit quadratischen und runden Metall-Sieben die Erde. Es könnte auch eine Goldwäscher-Szene aus einem Wildwest-Film sein. Nur, dass hier bunt gekleidete Männer, Frauen und auch Kinder nach Edelsteinen suchen. Und vor allem, dass dieses ganze Leben am und im Fluss Realität ist.
Es ist vor einigen Jahren so etwas wie ein Goldrausch hier ausgebrochen, als die Saphir-Vorkommen bekannt wurden. Teils unter katastrophalen Arbeitsbedingungen gruben die Madagassen Löcher in die Erde und suchten nach Saphiren. Inzwischen, sagt unser Guide Klaus Sperling, wurde das Schürfen professionalisiert. Inzwischen werden die Berge komplett abgetragen, durchgesiebt und ein paar Meter weiter wieder aufgeschüttet. Das Gewinn-Prinzip ist einfach: Der Boss erhält die Hälfte und alles andere wird zwischen den Arbeitern aufgeteilt.
Im Showroom decken sich unsere US-Mädels mit Saphiren ein. Der Umsatz dürfte heute gewaltig sein, nachdem alle mit ihren Kreditkarten bezahlen. Die Deutsch-Kanadierin Chris treibt uns – und den Verkäufer – zielstrebig in den Wahnsinn. Wie immer lässt sie sich alles noch einmal erklärten, wenn längst schon alles gesagt wurde und wie immer textet sie den armen Mann hemmungslos zu. Aber immerhin kauft sie ihm gleich drei Schmuckstücke ab. Seine Augen glänzen beim Abschied heller als die Saphire. Es dürfte sich also gelohnt haben.
Wir waren nun knapp eineinhalb Stunden in dem Laden. Selbst die anderen Frauen sind jetzt genervt und wollen weiter.
Nach einem weiteren, knapp vierstündigen Bustransfer, sind wir in Sichtweite des Meeres, das vielleicht noch zehn Kilometer Luftlinie entfernt ist. Wir steigen aus dem Bus und freuen uns, nun die letzte Rad-Etappe über gut 50 Kilometer anzugehen. Nur Nancy ist sauer. Sie hat Hunger. Es sind Reste von Käse, Brot, Salami, Keksen und Schokolade da, und natürlich Getränke. Das reicht ihr nicht: „Es gibt nichts zu essen“, mault sie.
„Wir haben fast zwei Stunden Verzögerung wegen Shopping. Ansonsten wären wir schon lange im Restaurant – und außerdem haben wir ja hier auch schon mal etwas“, kontert Klaus. Nancy schweigt, steigt stinksauer und hungrig aufs Rad, weil sie sich mit dem Wenigen, was da ist, nicht begnügt, und donnert davon. Ein bisschen seltsam – schon deshalb, da wir zuvor durch eine Landschaft gefahren sind, in der die Menschen dermaßen arm sind, dass ich regelrecht erschüttert bin. Ich habe inzwischen auch schon einige trostlose Regionen und sehr arme Menschen gesehen, aber Strohhütten, die bei uns keinem Hund zugemutet würden, noch nie. Es die pure Depression, nicht einmal Wasser gibt es hier. Es wird Eimerweise von Tankwagen verkauft.
Mary dagegen ist wie immer happy. Sie ist heute schon im Morgengrauen aufgebrochen und hat etliche Extra-Kilometer bis ins Saphir-Dorf zurückgelegt. Allerdings ist sie so happy, dass sie auch in die Stadt Toliara hineinradelt, entgegen der Absprache, am Ortsrand auf uns zu warten und gemeinsam zu fahren. Die Stadt ist ein ziemliches Chaos – und nur durch Zufall findet sie den stinksaueren Klaus wieder.
Nach einem schnellen Pizza-Mittagessen stehen die letzten 35 Kilometer an. Eine Teerstraße führt zu unserem Hotel Bellevue. Es liegt auf einem Hügel und trägt seinen Namen völlig zu recht. Ein Ausblick, den ich allerdings erst morgen genießen kann, da es inzwischen dunkel ist. Dafür ist das Essen gewaltig. Eine vegetarische Vorspeise, gerollt in ein Reisblatt, herrlich gewürzt mit Limette. Es ist das beste Essen bisher auf dieser Tour. Das gilt auch für den gegrillten Fisch und die Crème Brulèe. Das Essen ist nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch so ausgezeichnet, dass es in jedem Spitzen- Restaurant serviert werden könnte. Koch Jimmy ist auch der Besitzer des Hotels, das er gemeinsam mit seiner charmanten Frau und seiner Tochter führt. Er ist auf Mauritius geboren und legt Wert auf einen insgesamt sehr hohen Standard. Die Homepage, auf der man sich schon einmal einen guten Eindruck verschaffen kann, lautet: www.hotelbellevue.mg
Mehr Bilder zu dieser Tour und über den Reisebuchautor Gerhard von Kapff erfahren Sie unter www.abenteuer-zum-nachmachen.com. Seine bekanntesten Bücher sind: „Mit zwei Elefanten über die Alpen. Eine Familie wandert von München nach Venedig.“ und „Wüstenblues. Mit dem Mountainbike von den Victoria-Wasserfällen bis Kapstadt.“ Das zweite Buch basiert auf einer Tour von Hauser-Exkursionen. Die Bücher von Gerhard von Kapff sind handsigniert und versandkostenfrei im Shop auf dieser Seite, bei Amazon oder im Buchhandel erhältlich.
Alle Bücher:
„Mit zwei Elefanten über die Alpen. Eine Familie wandert von München nach Venedig.“
„Wüstenblues. Mit dem Mountainbike von den Victoria-Wasserfällen bis Kapstadt.“
„Abenteuer für Vater und Sohn. Unvergessliche Erlebnistouren.“
„111 Orte in Teneriffa, die man gesehen haben muss.“
„111 Orte im Altmühltal und in Ingolstadt, die man gesehen haben muss.“